Digitale Feldtage - ein (Zwischen-)Fazit

Derzeit hagelt es Einladungen zu digitalen Events. Anne Ehnts hat einige ausprobiert. Sie sieht Potenzial für die Zukunft aber auch für Verbesserung.
LOHNUNTERNEHMEN-Redakteurin Anne Ehnts

Heute ist der 16. Juni 2020. Ohne Pandemie wäre ich jetzt in Erwitte auf den DLG-Feldtagen. Stattdessen habe ich mich gestern fürs „DLG-Feldtage live“ registriert, um mich dort heute Mittag bei einem Webinar über Pulsweitenmodulation einzuloggen. Aber vorher möchte ich Ihnen noch schreiben, wie ich als Pflanzenbauredakteurin die digitalen Alternativen zu den klassischen Feldtagen und Presseevents bisher erlebe.

11. März 2020. Mit etwas Wehmut denke ich an diesen Tag zurück, an dem ich die bis heute für mich letzte reale Presseveranstaltung besuchen durfte. Ich war von einem Pflanzenschutzmittelhersteller nach Frankfurt eingeladen, um mir von der Geschäftsführung aktuelle Branchenzahlen und die neue Unternehmensstrategie erklären zu lassen. Und, nicht weniger wichtig, um wenn möglich die ein oder andere exklusive Information abzugreifen und natürlich auch nette Berufskolleg:innen zu treffen. Wegen der Hygiene hatte ich zu dem Zeitpunkt bereits das eigene Auto statt die Bahn gewählt. Wenige Tage später kam dann der Shutdown.

Daraufhin jagte eine Eventabsage die nächste und News erreichten uns eigentlich nur noch als klassische Presseinformationen. Je näher der Juni rückte, desto nervöser wurden allerdings die Marketingverantwortlichen bei den Pflanzenzüchtern und Düngemittel- sowie Pflanzenschutzmittelherstellern. Laden sie doch in dem Monat für gewöhnlich mehrere hundert Kund:innen und auch uns Pressevertreter:innen zu ihren traditionellen Feldtagen ein, um neue Produkte unter praxisähnlichen Bedingungen und im Vergleich zu zeigen. Würde dieses Veranstaltungsformat erstmals nicht funktionieren und was würde das für die Freilandausstellung DLG-Feldtage bedeuten?

Mitte April ließ die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft dann endlich die Katze aus dem Sack und sagte die DLG-Feldtage 2020 ab. Gleichzeitig kündigte sie ihre Alternative, die DLG Feldtage digital, an. Seitdem laden immer mehr Unternehmen zu eigenen digitalen Feldtagen in Form von Webinaren und Live-Streams direkt vom Acker ein. Wir Pressevertreter:innen werden zusätzlich im Rahmen „virtueller Pressegespräche“ in Live-Webcasts und Video-/Audiokonferenzen informiert.

Willkommen in der neuen digitalen Welt

In Ermangelung an Außenterminen bzw. Alternativen bot diese Form der Information und des Austausches ohne Frage eine willkommene Abwechslung im Homeoffice. Meine bisher gemachten Erfahrungen reichen vom Schmunzeln über Staunen bis zur Enttäuschung und sogar Übelkeit. So begannen die ersten virtuellen Presseevents im April oftmals mit dem Satz „Wir bitten etwaige technische und organisatorische Schwierigkeiten zu entschuldigen. Wir machen das hier auch zum ersten Mal.“

Gleichzeitig signalisierte und unterstellte man technische Unsicherheiten bei der Bedienung der jeweiligen Software-Applikation. Die Reaktionen von Veranstaltenden und Teilnehmenden fielen dennoch meistens gut aus. War man doch positiv überrascht, wie reibungslos und einfach das digitale Format funktioniert. „Willkommen in der „neuen“ digitalen Welt“ dachte ich da, denn die teilweise nahezu kindliche Begeisterung für die technischen Möglichkeiten und Spielereien hat mich doch etwas gewundert. Ich hatte etwas mehr Erfahrung und Professionalität im Umgang mit den neuen Medien und Kommunikationstools vorausgesetzt.

So passierte es wiederholt, dass Teilnehmende vergaßen, Mikrophon und Video-Cam (nur dann) zu aktivieren, wenn sie etwas beitragen wollten bzw. durften. Und das ein oder andere nebenbei geführte „private“ Telefonat wurde auch allen Anderen zuteil. Ebenso brachte mich eine bereits beendete Video- aber noch aktive Audioübertragung zum Ende eines gestreamten Feldtags zum Schmunzeln. Das sind eben die Tücken der Technik, wenn man nicht geübt im Umgang damit ist.

Mehr Professionalität allerdings hatte ich bei dem ein oder anderen Feldtag, ob als Videokonferenz mit Einspielern aus der Retorte oder als Video-Livestream aus dem Feld, erwartet. Technische Pannen können passieren, keine Frage, und die Netzanbindung ist auf dem Land oftmals der limitierende Faktor, aber Bewegtbild ist nichts Neues.

Bei Letzterem hat man meiner Ansicht nach einen Teil des Potenzials verschenkt, weil man sich im Vorfeld möglicherweise nicht genug Gedanken über das Storyboard und die Kameraführung gemacht und anscheinend auch nicht unter realen Bedingungen geprobt hat. Warum nicht die Kamera mal vom Redner lösen, stattdessen in den Bestand zoomen und die Krankheit oder den Schädling, über den gerade gesprochen wird, im Video zeigen. Okay, die neueste Roggensorte ist vielleicht nicht ganz so emotional aufgeladen wie das Top-Traktorenmodel, aber mit verschiedenen Perspektiven, Effekten, Drohnentechnik und Ausleuchtung kann man auch in einen Feldtag Schwung und Spannung bringen.

Von Euphorie bis Übelkeit

Genauso gibt es natürlich aktuelle Beispiele, bei denen dies hervorragend gelungen ist. Mein bisheriges Highlight ist ein digitaler Feldtag, der zusammen mit einer Agentur für Virtual-Reality konzeptioniert, in Teilen aus deren Studio gestreamt wurde und als Besonderheit einen Virtual-Reality-Bereich zum Netzwerken bot. Für die Teilnahme wurde mir leihweise eine VR-Brille zugeschickt. Sie ermöglichte mir am Tag des Events Zugang zu einem virtuellen Maisfeld, um dort einem Forum zu lauschen und als Avatar meiner Wahl mit anderen Besucher:innen ins Gespräch zu kommen.

Abgesehen von der fast einstündigen Einweisung in die Technik und Software und davon, dass mir nach einer Stunde im virtuellen Raum der Schädel dröhnte und ich eine leichte Übelkeit verspürte, war dies eine fast euphorisierende Erfahrung. Bot doch die VR-Brille mit integriertem Lautsprecher die Möglichkeit, mich als Avatar mit anderen Besucher:innen zu treffen, sie spontan anzusprechen und in die Diskussion mit einer größeren Gruppe zu gehen – und zwar ähnlich einer realen Gesprächssituation auf einer Großveranstaltung. Während in einer Audiokonferenz nur eine Gesprächsebene möglich ist, können hier mehrere Gespräche gleichzeitig stattfinden, die je nach Entfernung zueinander lauter und leiser wahrgenommen werden.

Bisher bot lediglich dieses Format den von Besucher:innen klassischer Events in der Regel als sehr wichtig bewerteten Aspekt des Netzwerkens. Allerdings waren fast alle Teilnehmenden innerhalb der ersten 30 Minuten so mit sich selbst und der Technik beschäftigt, dass dem eigentlichen Thema wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Dieses Verhalten ist wahrscheinlich der Ungeübtheit geschuldet. Darunter verbuche ich auch meinen Kritikpunkt, dass sich fast keiner der Avatare mit vollständigem Namen und Funktion zu erkennen gegeben hatte. Gezielte Kontaktaufnahme für berufliche Zwecke war also kaum möglich.

Im Vergleich dazu fällt auf, dass egal welches digitale Format, die Chatfunktion, um während eines digitalen Events Fragen zu stellen und zu beantworten, kaum für den fachlichen Austausch genutzt wird. Die Beiträge bzw. Kommentare beschränken sich oft auf Begrüßungsfloskeln, Emojis und technische Fragen zur Chatfunktion. Sich anschließende moderierte Diskussionen über die Audio-/Videofunktion laufen diszipliniert ab, erfüllen ihren Zweck, aber eben auch nicht mehr. Sie können eine angeregte Diskussion nicht ersetzen.

Perspektive hybride Feldtage?

Zwei Monate und X digitale Formate später ist bei den Meisten mittlerweile Routine eingekehrt im Umgang mit den verschiedenen Applikationen. Es ist wirklich toll, was die Unternehmen in der kurzen Zeit auf die Beine gestellt haben und die digitalen Tools bieten zusätzlich zur hohen Reichweiten und der Möglichkeit der Aufzeichnung interessante Chancen für die Zukunft. So ließe sich beispielsweise eine reale Messe zukünftig um virtuelle Ausstellungsbereiche erweitern, die für zusätzliche Besucher:innen aus weit entfernten Ländern sorgen könnten.

Bei mir persönlich macht sich mittlerweile allerdings auch ein wenig Überdruss breit. Ich frage mich angesichts der bisher eher überschaubaren Teilnehmendenzahlen der Live-Formate zwischen 50 und 200, ob und wie Landwirt:innen und Lohnunternehmer:innen die digitalen Feldtage nutzen und erleben.

Aber erstmal freue ich mich wahnsinnig auf den 24. Juni. Dann werde ich, so wie es aktuell aussieht, endlich wieder an einem realen Pressegespräch teilnehmen können, natürlich unter den dann herrschenden Auflagen.

Nutzen Sie die digitalen Eventangebote? Welche Erfahrungen machen Sie? Ziehen Sie für sich einen Mehrwert daraus? Wie sehr fehlt Ihnen das Netzwerken? Und was meinen Sie wird uns nach Corona davon erhalten bleiben?

Schreiben Sie mir Ihre Erfahrungen und Meinungen an ehnts@beckmann-verlag.de

Anne Ehnts, Redaktion LOHNUNTERNEHMEN

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